Wir spachen mit einem prominenten Lungenbiologen aus Deutschland zur Corona Krise.
Asthmatiker und Raucher sind besonders durch das Coronavirus gefährdet. Doch auch Gesunde sollten ihre Lunge stärken. Hier sind unsere Tipps dazu:
FRAGE: Was kann jeder Einzelne von uns tun, um seinen Körper gegen das neuartige Coronavirus zu wappnen?
ANTWORT: Man sollte sein Immunsystem stärken und vor allem auf seine Atemwege achten. Husten, Schnupfen, Halsschmerzen und Kurzatmigkeit können Symptome einer Infektion sein, und sie alle betreffen die Atemwege. Es kann in einigen Fällen auch zu einer Lungenentzündung kommen. Patienten mit schweren Verläufen sind nicht nur vor allem ältere Menschen, sondern auch Raucher oder Menschen mit anderen Erkrankungen. Es gibt eine Korrelation zwischen dem Konsum von Zigaretten und dem Risiko eines schweren Verlaufs der Lungenkrankheit Covid-19.
FRAGE: Von den 50- bis 60-jährigen Einwohnern in Deutschland rauchen rund 25 Prozent der Frauen und 31 Prozent der Männer. Diese Gruppe ist also besonders gefährdet?
ANTWORT: Ja. Mit jedem Lungenzug saugt man mehr als 4000 verschiedene Chemikalien in den Körper. Der Zigarettenrauch erhöht die Zahl sogenannter ACE2-Rezeptoren auf den Epithelzellen der Atemwege. Und genau über diesen ACE2-Rezeptor scheint Sars-CoV-2 in die Epithelzellen einzudringen. Das könnte bedeuten: Wer raucht, der macht es dem Virus leichter, den Körper zu infizieren.
FRAGE: Der Organismus reinigt normalerweise die eingeatmete Luft von Erregern und Schmutz. Wie stört das Rauchen diesen Mechanismus?
ANTWORT: Der Rauch zerstört die Flimmerhärchen auf den Epithelzellen der Bronchialschleimhaut, die ja eigentlich dazu da sind, Schmutzpartikel nach außen zu befördern. Darüber hinaus führt er zu einer verstärkten Schleimbildung in den Atemwegen, und das wiederum verschlechtert den Gasaustausch: Die Lungenbläschen können nicht mehr so gut Kohlendioxid aufnehmen und nicht mehr so gut Sauerstoff ins Blut abgeben.
FRAGE: Und das macht die Lunge des Rauchers so anfällig für Viren?
ANTWORT: Ja. Und es ist teilweise noch schlimmer. Etliche starke Raucher, die auch andere Atemwegserkrankungen haben, nehmen das Hormon Kortison ein, weil es die Bronchialschleimhaut abschwellen lässt und die Schleimproduktion verringert. Allerdings wirkt Cortison gleichzeitig hemmend auf das Immunsystem – das macht die Lunge zusätzlich anfällig für jede Art von Infektion. Bei Covid-19 können sich die Viren bis in die Lungen ausbreiten und dort eine Entzündung verursachen. Dadurch entstehen Ödeme, das sind krankhafte Ansammlungen von Flüssigkeit. Und die wiederum sorgen dafür, dass der Gasaustausch kaum noch stattfinden kann. Deswegen benötigen viele Covid-19-Patienten die Zufuhr von mit Sauerstoff angereicherter Luft – oder ersticken schlimmstenfalls.
FRAGE: Kann ein langjähriger Raucher die Schäden in seiner Lunge überhaupt noch verringern, um das Risiko einer schweren Viruserkrankung zu minimieren?
ANTWORT: Es ist nie zu spät. Ein sofortiger Rauchstopp wäre unbedingt zu empfehlen. Die Lunge kann sich wieder regenerieren, und das Immunsystem wird entlastet. Die Abwehrzellen müssten nicht mehr gegen die Partikel im Tabakrauch kämpfen, sondern könnten sich bei einer Infektion auf das neuartige Coronavirus stürzen. Ganz unabhängig von Corona Virus ist das Rauchen die häufigste vermeidbare Todesursache in den Industrieländern.
FRAGE: In Deutschland sind etwa zehn Prozent der Kinder und fünf Prozent der Erwachsenen an Asthma erkrankt und leiden nicht selten unter Luftnot. Wie sollen die sich vorbereiten?
ANTWORT: Asthmapatienten haben leider ein erhöhtes Risiko, weil ihre Lunge oft vorgeschädigt ist, und viele von ihnen Kortison nehmen müssen, was wie gesagt ihr Immunsystem hemmt. Die Betroffenen sollten ihre Medikamente trotzdem wie gewohnt weiternehmen. Sie sollten sich gut vor Infektionen schützen und von anderen Menschen fernhalten. Und Allergiker müssen jetzt im Frühjahr natürlich auch den Kontakt mit Pollen vermeiden. Falls vorhanden, sollten Asthmatiker eine Atemschutzmaske tragen, sofern das bei ihnen keine zusätzliche Luftnot verursacht.
FRAGE: Und warum scheinen auch die Zivilisationskrankheiten Bluthochdruck, Verkalkung der Herzkranzgefäße und Diabetes das Risiko schwerer Verläufe der Lungenkrankheit Covid-19 zu erhöhen?
ANTWORT: Diese Erkrankungen können das Immunsystem oder das Herz schwächen. Ein schwaches Herz kann dazu führen, dass sich Wasser in der Lunge einlagert. Viele Patienten sind in einem fortgeschrittenen Alter und nehmen oftmals verschiedene Arzneimittel in höherer Dosierung ein. Viele sind medikamentös eingestellt und kommen ganz gut zurecht. Wenn sie aber ein sehr lungenaggressives Virus befällt, geraten sie in einen Teufelskreis. Der Körper muss schon recht viel Energie aufbringen, um die Grunderkrankungen zu bekämpfen. Diese Kraft fehlt nun dem Immunsystem. Das Gleiche gilt für Krebspatienten, die auch ein geschwächtes Immunsystem haben können.
FRAGE: In Deutschland leben Millionen Menschen mit solchen Vorerkrankungen. Können diese ihren Lebensstil noch verändern, um sich wenigstens ein Stück weit gegen das Virus zu rüsten?
ANTWORT: Die Menschen sollen wie gewohnt ihre Medikamente einnehmen und versuchen, Ansteckungen zu vermeiden. Und Hygiene ist natürlich sehr wichtig.
FRAGE: Heißt das, sie sollen lieber zu Hause bleiben?
ANTWORT: Nein, sie sollten jeden Tag spazieren gehen, und zwar an einem Ort, wo die Luft sauber ist. Also nicht an einer Straße, sondern möglichst in einem Park. Wer sich draußen an der frischen Luft bewegt, stärkt das Immunsystem und verbessert die Lungenfunktion. All das natürlich nur unter Einhaltung der gegebenen Sicherheitsmaßnahmen.
FRAGE: Sollte man im Freien einen Mund-Nasen-Schutz tragen?
ANTWORT: Das kann nicht schaden. Aber Patienten mit Atemwegserkrankungen haben ohnehin schon Schwierigkeiten beim Atmen. Mit einer Maske wird das manchmal nicht gehen. Sie sollten aber dennoch spazieren gehen – und zwei Meter Abstand zu anderen Menschen halten.
FRAGE: Ein gesunder Lebensstil kann die natürliche Alterung merklich verzögern – sieht man das auch in der Lunge?
ANTWORT: Ja. Ein 60-Jähriger, der seine Lungen gesund gehalten hat, verfügt über ein besseres Abwehrsystem als ein 30-Jähriger, der raucht und übergewichtig ist.
FRAGE: Es lohnt sich also, seine Atemwege zu pflegen?
ANTWORT: Ganz eindeutig, und das gilt natürlich auch für gesunde Menschen. Das Immunsystem kann man durch körperliche Bewegung, ausreichenden Schlaf und gesunde Ernährung stärken, also viel Obst und Gemüse essen.
FRAGE: Wie sieht es mit Getränken aus?
ANTWORT: Jeden Tag sollte man ausreichend Wasser trinken, das ist gut für die Schleimlösung in den Atemwegen.
FRAGE: Was ist mit Alkohol?
ANTWORT: Ein Bierchen oder einen Wein kann man sich im Lockdown durchaus genehmigen. Aber ein Alkoholüberkonsum schwemmt Elektrolyte aus und dehydriert den Körper.
FRAGE: Ratschläge zu einem gesünderen Leben verhallen oft. Wird sich das ändern?
ANTWORT: Wir sind in eine Phase gekommen, in der eine Virusinfektion unser Leben beeinflusst. Jetzt lernen wir, wie wichtig es gewesen wäre, wenn wir schon vorher auf unsere Gesundheit geachtet hätten. Und wie entscheidend ein gestärktes Immunsystem ist. Da die aktuelle Pandemie noch länger dauern könnte, kann man immer noch anfangen, seinen Lebensstil zu ändern. Und wer weiß, vielleicht wird nach Sars-CoV-2 ein Virus kommen, das noch aggressiver ist.
FRAGE: Was halten Sie von einer generellen Ausgangssperre?
ANTWORT: Wir müssen natürlich genau auf die Zahlen schauen, wie sich die Pandemie entwickelt, und dementsprechend handeln. Für unsere Gesundheit hätte eine totale Ausgangssperre nicht nur Vorteile. Viele Leute könnten kaum noch Sport machen und würden dabei an Gewicht zunehmen – ein klarer Nachteil für unser Immunsystem. Außerdem brauchen wir den Aufenthalt im Freien für unsere Psyche. Dies gilt es abzuwägen und mit den Schutzmaßnahmen gegen das Virus in Einklang zu bringen.